Montag, 13. Oktober 2014

Will ich, dass mein Kind Angst hat?

Kinder kriegen ist nix für Angsthasen. Oder so ähnlich.
Bekanntlich können aber ein Haufen Menschen Kinder kriegen, egal wie geeignet sie charakterlich etc. dafür sind. Also auch Angsthasen. Übervorsichtige und Kontrollfreaks.

Dass ich zu denen jetzt eher weniger gehöre, hatte ich ja schon vor dem Elternsein geahnt. Ein bisschen kann man sich ja einschätzen. Und der Koch ist da ähnlich "cool" wie ich, was Klettern, Springen und Neues Ausprobieren des kleinen Mannes angeht.
Doch dass das genauso Auswirkungen auf mein Kind hat, wie übertriebene Vorsicht, das war mir vorher irgendwie nicht so klar...

Natürlich sprechen wir immer von einer Kombination. Nichts ist ja so einfach schwarz/weiß. Das Grau ergibt sich also aus dem Verhalten und Vorleben der Eltern, evtl. Geschwistern, Großeltern, anderen Kindern und und und... Und den Erfahrungen, die ein Kind selbst macht. Alleine und mit Anderen zusammen. Und damit hängt es auch vom Alter eines Kindes ab - denn je älter, desto mehr Gefahren sind ihm bewusst.
Und dann ist da natürlich noch der Charakter des Kindes. Manche Kinder sind vorsichtig. Vom ersten Tag an. Andere Kinder sind mutiger, neugieriger, probieren schneller aus, sind weniger ängstlich.
Und so einer ist eben unser kleiner Mann. Nicht bei allem und immer, natürlich, aber oft. Hallo, Welt, hier komme ich!
Und wenn so einer auf Eltern trifft, die nicht so furchtbar ängstlich sind, die ihr Kind eher erstmal machen lassen, und nicht gleich warnen, mahnen und schimpfen. Dann... ja dann kommt wohl logischerweise ein relativ angstfreies Kind dabei raus.
Schöne Schei...e. Oder?

Ich meine, gibt es das überhaupt? Hat nicht jeder vor irgendetwas Angst? Oder ist das eigentlich der erstrebenswerte, kindliche Zustand - Angstfreiheit? Und wenn ja: sollte ich als Mutter dann nicht wollen, dass der so lang wie möglich anhält?

Bei manchen Dingen ist das ja kein großes Problem.
Er wollte mir nicht glauben, dass es besser ist, nicht so nahe an die Bienen ranzugehen. Konnte sich nicht vorstellen, was "stechen" bedeutet. Und irgendwann haben wir eben mal nicht jede Minute hingeguckt und er wurde gestochen. So. Jetzt weiß er es.
Kein Riesen-Schmerz, keine große Gefahr (bzw. danach hatten wir zumindest die Gewissheit, dass er keine Allergie hat). Und auf lange Sicht ja auch kein Risiko, dass man vollkommen ausschließen kann.
Und ihn hat es nachhaltig beeindruckt, er hat Wochen lang davon geredet. Und hält seitdem Abstand. Lernen durch Erleben eben.

Aber leider geht das halt nicht bei Allem. Wie mache ich also meinen unängstlichen Kind klar, dass es einfach nicht auf die Straße rennen darf? Mit Erleben ist da schließlich nix.

Aber andererseits: Will ich, dass mein Kind Angst hat? Oder eher noch, will ich ihm absichtlich Angst machen? Habe ich das Recht, in ihn Ängste zu pflanzen, um ihn zu beschützen?
Schwierige Fragen. Finde ich.

Ich - beziehungsweise: wir, der Koch bleibt davon natürlich nicht verschont - hab schon viel versucht, denn dass er einfach wegrennt, kommt immer wieder vor. Eine Zeit lang fast jeden Tag wenn ich ihn von der Vormittagsbetreuung abgeholt habe, kurz bevor ich ihn in den Kinderwagen setzen konnte. Er fand es lustig. Ich nicht.
Ich hab erklärt. Ganz ruhig, und gelassen. Ganz eindringlich. Ich hab erschrocken geschrien. Und sogar schon mal hemmungslos geweint. Einfach, weil mir in dem Moment nur noch zum Heulen zumute war. Und ich nicht mehr konnte.
Aber bisher hat nichts wirklich Wirkung gezeigt.

Immer wieder kommen mir diese Ratgeber-Sätze in den Kopf: "Seien Sie authentisch." und "Treten Sie in Beziehung mit Ihrem Kind."

Ich habe das Gefühl, ich bin authentisch. Ich sage ihm den wahren Grund, warum ich nicht will, dass er auf die Straße rennt. Verstecke mich nicht hinter einer bloßen Regel. Ich zeige ihm meine Angst, meine Verzweiflung, meine Gefühle. Aber wie schaffe ich es, dass er so was, Entschuldigung, Dummes nicht macht, ohne zu erziehen? Es geht hier doch nicht darum, dass er so ist, wie ich das gerne hätte, dass er funktioniert. Sondern darum, dass er sich selbst nicht in Gefahr bringt. In eine Gefahr, die er ja noch gar nicht einschätzen kann. 
Also: wie komme ich hier weiter ohne Erziehung? Wie soll ich das auf der Beziehungs-Ebene lösen? Eine Beziehung, in der eben nicht beide auf derselben Höhe im Sinne von Entwicklungsstand sind, die also doch nie ganz gleichberechtigt sein kann?
Hat jemand die Nummer von Katharina Saalfrank?

Tja, ich befürchte: Fortsetzung folgt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen