Mittwoch, 6. August 2014

Ansprüche und so - Essen gehen auf Sylt

Leute, waren wir gut essen. Auf Sylt.
Erst dachten wir: Kein Problem, auf Sylt gut essen zu gehen. Aber wir haben nicht mit unseren Ansprüchen gerechnet.
Wir sind furchtbar. Wir wollen mal wieder allein, ohne Kind, essen gehen. Und es mal krachen lassen. Und brauchen dann 4 Tage Recherche, um eine Speisekarte zu finden, die uns beiden zusagt.

Wir gehen nicht so oft essen. Noch weniger seit es den kleinen Mann gibt. Auch wenn das sehr viel Spaß machen kann. Aber zuhause schmeckt es eben auch. Und günstiger ist es sowieso. Und im Urlaub wohnen wir meistens in einer Ferienwohnung, kochen also auch viel selbst.

Wenn wir dann also mal Geld in die Hand nehmen, und es einem anderen Koch in die Hand legen, sind wir anspruchsvoll. Kritisch. Wählerisch.

Die eine Karte ist uns zu einfallslos. Die nächste mit zu viel Chichi. "Dafür zahl ich keine 19 Euro, das ist keine Arbeit." (der Koch) "Ziegenkäse mag ich nicht. Gänseleber schon gar nicht." (ich)
Ich hab noch so gut wie nie ein Menü gefunden, in dem mich nicht mindestens eine Komponente gestört hat. Im Falle des seit-Zwanzig-Jahren-1-Stern-Kochs (Hut ab!) auf Sylt war es in jedem Gang eine. 
Und der Koch findet Vieles langweilig. Ist manchmal etwas entzaubert, weil er weiß, wie es gemacht wird. Oder wie es gemacht werden sollte.

Und dann war da in diesem konkreten Fall noch die Angst davor, dass auf so einer wunderschönen, aber halt Szene-Insel alles tendenziell überteuert ist. Viel Name, viel Getöse, wenig dahinter. Und schön sollte das Restaurant ja auch sein, nicht zu verstaubt, nicht zu modern. Und ätzendes, Ed Hardy-Proll/Geissens/Sansibar-Frottee-Rock-Publikum will man irgendwie auch umgehen.

Gut, ich gebe zu. Es war ein "besonderes" Publikum. Marke: rotes Ralph Lauren Poloshirt, den lila Ralph Lauren Pulli über die Schultern gelegt, die beige Chino spannt über dem Wohlstandsbauch. Beim Vater. Die zwei Söhne, etwa 6 und 8, entsprechend in anderen Farbkombinationen. 
Dazu die Best-Ager, die gleich mal fragen, ob die Chefin des Hauses denn da ist, sie würden ja so gerne eines der na ja, wundertollen Audrey-Hepburn-Popart-Paris-Schriftzug-Bilder, das neben ihrem Tisch hängt, kaufen. 
Und die Nase-hoch, ich musste noch nie 'nen Finger krumm machen, "höhere" Tochter, die auf der Damentoilette tut, als wäre ich Luft, war auch dabei. Geschenkt.

Aber, Leute, das Essen war vielleicht gut. Himmel, ist das eine Genugtuung, dass es sich doch lohnen kann, sich mit den wandelnden Vorurteilen zu arrangieren. Weil da wirklich jemand kochen kann.

Der Aperitif allein. Basilikumreduktion, Limettensaft, Prosecco, eine Prise Salz. So gut. Und mal was Neues, nach all den Mode-Sommer-Getränken.
Meine Vorspeise: Kopfsalat, Frühlingszwiebeln und Radieschen mit einem Buttermilch-Limetten-Dressing. Dazu gebratene Chorizo-Scheiben und Mandeln. Die beste, aufregendste und zugleich harmonischste Salat-Kombination und das beste Dressing, das ich je gegessen habe. So.
Aber wir wollen ja nicht mit Details langweilen. Die Hauptgerichte waren super. (Zum Restaurantkritiker taugt diese Wortwahl jetzt zugegebenermaßen nicht.) Das Dessert wurde uns von zwei Kellnern mit ehrlicher Begeisterung empfohlen: Erdbeerknödel mit Mascarponecreme haben wir uns dann ganz romantisch geteilt. *schmacht*

Wir müssen uns im Übrigen für die Anderen auch völlig bescheuert angehört haben. Für das Pärchen hinter uns, bei denen anscheinend mit steigendem Kontostand die Höflichkeit sowie die eheliche Dialogfähigkeit abgenommen haben. (Die konnten deshalb ja die ganze Zeit zuhören...) 
Wie wir da saßen, und über Schwarzbrotkrümel-Bremsen (damit auf dem Teller beim Servieren nichts verrutscht) und die Konsistenz von Vanilleeis debattierten. Mit einer Begeisterung, zu der wahrscheinlich nur Bekloppte und Menschen fähig sind, die nicht oft so viel Geld für einen Restaurantbesuch ausgeben.

Aber, Leute! Es war so gut!

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